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Antibiotikaresistenz: Wie gefährlich ist sie?

Antibiotika im Laufe der Zeit

Mit ihrer Entdeckung, gegen Ende der 1920er Jahre, galten Antibiotika als das Wundermittel gegen viele Infektionen. Mit ihnen konnten Krankheiten geheilt werden, die als unheilbar und tödlich galten. Im Zweiten Weltkrieg wurde ein Antibiotikum erstmals gegen gefährliche Keime eingesetzt – das Penicillin. Seitdem wurden immer wieder neue Antibiotika gegen gefährliche Krankheiten entwickelt. Es schien, als hätte die medizinische Forschung die gefährlichen Bakterien besiegt.

Doch die bisher so hilfreichen Antibiotika sind zu einer neuen Gefahr geworden. Sie wirken nicht mehr, weil Bakterien zunehmend resistent gegen die Abwehrmittel geworden sind. Die Folgen sind erschreckend: Die Zahl der Infektionen mit resistenten und multiresistenten Keimen nimmt weltweit zu. Jährlich sterben allein in der Europäischen Union ca. 25.000 Menschen an schweren Infektionen, weil die Erreger nicht mehr angreifbar sind. Sie sind resistent geworden. Auf einer Generalversammlung der Vereinten Nationen wurden diese Resistenzen als die größte und dringendste globale Gefahr bezeichnet. Wie gefährlich ist nun eine Antibiotikaresistenz, wie entsteht sie und wie können Sie diese Gefahr abwenden? Diese Fragen will ich Ihnen in diesem Artikel beantworten.

Was ist eine Antibiotikaresistenz?

Antibiotikaresistenzen sind eigentlich ein völlig natürliches Phänomen. Sie sichern Bakterien, die unempfindlich gegen antimikrobielle Stoffe sind, einen Überlebensvorteil. Diese Resistenzen entstehen, ohne dass der Mensch hierauf einen Einfluss hat.

Mit von Menschen entwickelten Antibiotika werden seit Jahrzehnten Bakterien abgetötet, die gefährliche Krankheiten verursachen. Millionen Menschen wurden durch den Einsatz von Antibiotika vor einem sicheren Tod gerettet. Die medizinische Forschung entwickelte und entwickelt diese Mittel, mit denen Keime abgetötet werden können oder zumindest ihre Vermehrung und ihr Wachstum gehemmt werden können.

Es war nicht unüblich, dass schon bei einer Erkältung Antibiotika verschrieben wurden. Dabei wurden jedoch ein paar Aspekte übersehen bzw. missachtet: Zum einen werden Erkältungen oft durch Viren ausgelöst, die durch Antibiotika nicht bekämpft werden können. Zum anderen sind Bakterien große Überlebenskünstler und sie sind sehr anpassungsfähig. Wenn sie in unseren Organismus eingedrungen sind, dann vermehren sie sich sehr schnell und in gewaltig großen Zahlen. Und dabei können sie spontan ihr Erbgut verändern. Und zwar auch so, dass sie gegenüber den speziell gegen sie entwickelten Antibiotika unempfindlich werden. Sie bilden Resistenzen. Dann sind sie resistente Keime und können nicht mehr mit den bisher wirksamen Medikamenten angegriffen werden. Die Ärzte haben es plötzlich mit einer Krankheit zu tun, gegen die die bisher so wirksamen Antibiotika völlig versagen: Die gefährlichen Erreger sind unempfindlich geworden.

Darum werden Bakterien gegen Antibiotika resistent

Über einen langen Zeitraum hinweg waren antibiotische Mittel die schärfste Waffe gegen bakterielle Infektionen. Diese ist nun nicht mehr effizient, sie ist stumpf geworden. Es haben sich immer mehr Antibiotikaresistenzen gebildet. Wie konnte das passieren, warum werden Bakterien gegen Antibiotika resistent? Der wichtigste Grund: der übermäßige Gebrauch und Missbrauch von Antibiotika bei Mensch und Tier.

Gerade weil diese Medikamente eine so gute Wirkung zeigten und im Falle einer Infektion schnell helfen, wurden sie immer häufiger eingesetzt. Auch dann, wenn es gar nicht nötig gewesen wäre. Denn manchmal ist es schon ausreichend, mit einfachen und bewährten Hausmitteln das Immunsystem zu stärken, sodass eine Erkältung gar nicht erst ausbricht.

In sehr vielen Fällen, in denen Viren die Krankheit ausgelöst hatten, wurden ebenfalls Antibiotika verabreicht, obwohl diese gegen Viren wirkungslos sind. Und auch in der landwirtschaftlichen Tierzucht werden Antibiotika regelmäßig eingesetzt – ob vorbeugend gegen Krankheiten oder um das Wachstum zu beschleunigen. Es entwickelte sich so ein falscher Einsatz von antibiotischen Mitteln. Immer mehr Bakterienstämme wurden resistent. Die Folge: Die Dosierungen wurden erhöht, was wiederum zu mehr resistenten Erregern führte. Die Resistenzen auf die eingesetzten Mittel nahmen somit weiter zu.

Infektionen auslösende Keime sind sehr lernfähig. Wenn sie gegen ein Antibiotikum resistent geworden sind, geben sie diese Widerstandsfähigkeit mit ihrem Erbgut an andere Bakterien und sogar an ganz verschiedene Bakterienstämme weiter. Weil sich bakterielle Krankheitserreger schnell vermehren, breitet sich eine Antibiotikaresistenz in kurzer Zeit aus. Es gibt auch einen natürlichen Weg für die Keime, um unangreifbar zu werden: Durch zufällige Veränderungen im Erbgut (Mutationen) werden sie gegen Antibiotika unempfindlich.

Die Missachtung ärztlicher Vorschriften bei der Einnahme von Antibiotika ist ein weiterer Grund für zunehmende Resistenzen. Werden Sie mit einem antibiotischen Medikament behandelt, müssen Sie sich genau an die Anweisungen des Arztes halten. Sie dürfen auf keinen Fall die Einnahme vorzeitig abbrechen, auch wenn Sie glauben, die Erkrankung überstanden zu haben. Auch eine Verringerung der Dosierung ist ein absolutes No-Go.

So entsteht eine Antibiotikaresistenz

Resistente Erreger haben verschiedene Methoden entwickelt, um die Wirksamkeit von Antibiotika zu beeinträchtigen oder gänzlich auszuschließen.

  • Sie setzen ein Enzym ein und knacken damit den Beta-Lactam-Ring, eine chemische Gemeinsamkeit von Antibiotika, wie z.B. bei Penicillin. Die Bakterien können ungehindert angreifen.
  • Sie verschließen Poren, sodass ein Antibiotikum nicht in die Bakterienzelle gelangen kann.
  • Antibiotika müssen an die Bakterienzelle andocken können. Die Bakterien aber verändern die Zielstrukturen der Antibiotika und der Wirkstoff kann sich nicht mehr an die Bakterienzelle binden – er verliert seine Wirkung.
  • Auch wenn das Antibiotikum in die Bakterienzelle eingedrungen ist, gibt die Bakterie nicht auf. Sie entwickelt einen Pumpmechanismus, der das Antibiotikum einfach wieder aus der Zelle herausbefördert.

 

In vielen Fällen werden aus gefährlichen Bakterien resistente oder sogar multiresistente Erreger. Deren Entwicklung und Verbreitung hat in den vergangenen Jahren rapide zugenommen. Gegen diese Bakterien sind Antibiotika meistens nicht mehr wirksam. Sie verursachen lebensbedrohliche Infektionen unserer Atemwege, des Magen-Darm-Trakts, des Bauchfells oder der Organe. Sie können auch in die Blutbahn eindringen und dort eine Sepsis verursachen. Diese kann – wenn nicht rechtzeitig erkannt und behandelt – zum Tode führen.

Resistente und multiresistente Erreger: So können sie uns schaden

Infektionen mit resistenten Bakterien und sogenannte Multiresistenzen nehmen weltweit immer weiter zu. Zwar wird weiterhin an neuen Antibiotika geforscht, doch auch hier zeigt sich oft schon nach kurzer Zeit eine Wirkungslosigkeit. Die Bakterien haben sich angepasst.

Die Übertragung resistenter oder multiresistenter Erreger kann sowohl durch direkten als auch durch indirekten Kontakt geschehen. Übertragungen können zwischen Menschen, Menschen und Tieren sowie durch die Umwelt passieren. Vor allem in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, aber auch in Arztpraxen ist das Risiko einer Übertragung sehr hoch. Und auch über Nahrungsmittel können sich multiresistente Keime verbreiten. Hygiene bei der Verarbeitung ist daher unabdingbar.

Der Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft führt ebenfalls dazu, dass die Zahl multiresistenter Keime stark zugenommen hat. Auch in unserer Umwelt finden wir eine Vielzahl resistenter und multiresistenter Bakterien. In Wildtieren sowie in Flüssen, Seen und im Boden sind diese zu finden und können bei Kontakt auf den Menschen übertragen werden. Durch die zunehmende Mobilität verbreiten sich viele resistente Erreger auch weit über die Landesgrenzen hinweg aus. Vor allem Urlauber bringen oftmals unerwünschte Keime von ihrer Reise mit.

Wichtigste multiresistente Erreger: Vorkommen und Gesundheitsgefahren

  1. Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA): Siedelt sich auf der Haut und auf den Schleimhäuten der oberen Atemwege (Mund-Rachenraum. Bronchien) an. Er kann diese Krankheiten auslösen: Entzündungen von Organen und Gewebe, Haut- und Wundentzündungen, Infektionen der Atem- und der Harnwege. Im schlimmsten Fall kann er zur Sepsis führen. Der resistente Erreger kann durch Medikamente nur schwer bekämpft werden und ist eine große Gefahr für die Gesundheit.
  2. Vancomycin-resistenter Enterococcus faecium und Enterococcus faecalis (VRE): Diese Bakterien können die Darmflora zerstören und Harnwegsinfektionen auslösen.
  3. Clostridium difficile: Der gefürchtete Krankenhauskeim. Er kann zu Darmentzündungen führen, die sich durch wässrige Durchfälle und Fieber äußern können, und führt schlimmstenfalls bis zu einer Sepsis.
  4. ESBL bildende Escherichia coli: Sie finden sich häufig in der Darmflora, in verunreinigtem Trinkwasser und in befallenen Lebensmitteln. Sie rufen häufig Magen-Darm-Erkrankungen, Darm-, Bauchfell-, Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen und eine Sepsis hervor. Sie sind durch Medikamente nur schwer zu bekämpfen.
  5. Multiresistenter Pseudomonas aeruginosa: Er ist in Deutschland häufig verbreitet. Als Nasskeim finden wir ihn in feuchten Böden, im Leitungswasser, in Duschen, Waschbecken und auf verdorbenen Lebensmitteln. Dieser resistente Keim löst Lungen-, Haut-, Augen-, Ohrenentzündungen und Harnwegsinfektionen aus.

 

Wie können wir Antibiotikaresistenzen verringern?

Vorbeugung ist das A und O. Werden Infektionen vermieden, ist es auch nicht notwendig, Antibiotika zu deren Bekämpfung einzusetzen. Die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen kann somit zumindest verlangsamt werden.

Resistente Erreger bedrohen in Deutschland vor allem diese Risikogruppen:

  • Ältere Patienten und Menschen, die in Altenheimen oder anderen Pflegeeinrichtungen wohnen
  • Patienten in Krankenhäusern, vor allem frisch operierte, aber auch immungeschwächte
  • Menschen mit instabilem Immunsystem, z.B. chronisch Erkrankte

 

Die wichtigsten Eintrittspforten für resistente Keime sind der Magen-Darm-Trakt, die Geschlechtsorgane, unsere Atemwege und die Schleimhäute, die Haut und der Harntrakt. Hier muss äußerste Hygiene herrschen.

Eine bakterielle Infektion beginnt meistens dort, wo die Erreger eingedrungen sind. Von dort können sie sich dann auch im ganzen Körper ansiedeln. Die meisten Infektionen mit resistenten und multiresistenten Erregern lassen sich zunächst nicht von einfachen bakteriellen Infektionen unterscheiden. Sie sind von hohem Fieber begleitet, weil das Immunsystem mit voller Kraft arbeiten muss. Oftmals ist eine Wundinfektion oder Lungenentzündung die Folge. Deshalb gilt: Auch bei kleinen Verletzungen muss sorgfältig desinfiziert werden.

Damit sich resistente Keime in Deutschland nicht ungehindert ausbreiten können, hat die Bundesregierung 2015 die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART 2020 verabschiedet. Zu den wichtigsten Punkten im 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung resistenter Erreger gehört der Ausbau der Hygienestandards in unseren medizinischen Einrichtungen. Hier ist bereits viel Positives in der Ausbildung qualifizierter Hygiene- und Pflegefachkräfte sowie des Reinigungspersonals pro Krankenhauseinheit geschehen. Es muss aber auch weiterhin an der Einhaltung und Verbesserung der Standards gearbeitet werden.

Auch in unserem Alltag lässt sich die Übertragung gefährlicher Keime und resistenter Erreger einfach verhindern. Hygiene ist hierbei besonders wichtig. Regelmäßiges und vor allem gründliches Händewaschen, regelmäßiges Lüften und das Waschen von Obst und Gemüse sind hier zu nennen. Saubere Arbeitsmittel und -flächen bei der Verarbeitung von Lebensmitteln sind ebenfalls wichtig und können die Übertragung von Keimen verhindern.

Sollten Sie erkrankt sein, husten und niesen Sie stets in die Armbeuge und reichen Sie anderen Personen nicht die Hand. Nutzen Sie Einmaltaschentücher und werfen Sie diese nach dem Gebrauch sofort weg. Sollten Sie ein Antibiotikum verschrieben bekommen haben, nehmen Sie dieses nach Vorschrift des Arztes und über die gesamte Behandlungsdauer ein. Entsorgen Sie Medikamente niemals über die Toilette oder das Waschbecken, denn diese gelangen so in unsere Flüsse und Seen. Nicht zuletzt sollten Sie sicherstellen, dass Sie alle erforderlichen Impfungen erhalten haben. Lassen Sie sich von Ihrem Hausarzt an die regelmäßigen Auffrischimpfungen erinnern und nehmen Sie diese wahr.

Resistenzen gegenüber Antibiotika und ihre Verbreitung sind ein ernst zu nehmendes Problem. Doch wir können durch einfache Maßnahmen verhindern, dass die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen sich weiter rasant vermehrt.

 


Bildquelle: Pixabay

 

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